Fachgeschichte
Das arabistische Gründungsmitglied des „Orientalischen Instituts“ war Joseph von Karabacek (1845-1918), der sich vor allem mit islamischer Kunstgeschichte, Numismatik und Paläographie befasste. Karabacek war maßgeblich am Ankauf der arabischen, griechischen und koptischen Papyri für die Sammlung von Erzherzog Rainer (heute Papyrussammlung der ÖNB) beteiligt. Auf ihn geht damit auch die lange Tradition der arabischen Papyrologie in Wien zurück. Mit der Sichtung und teilweisen Edition von 4.000 Papyri war er weltweit einer der Pioniere in diesem Fach. Sein Schüler Adolf Grohmann (1887-1977) setzte diese Tradition fort, ging jedoch 1923 als Professor an die Universität Prag und nach dem Krieg nach Kairo.
Ein praxisorientierter Philologe war Adolf Wahrmund (1827-1913), der als Dozent viele Jahrzehnte Arabisch unterrichtete und bis heute durch sein für damalige Verhältnisse äußerst modernes Arabisch-Wörterbuch im Fach ein Begriff ist. Wahrmund war allerdings auch ein führender Proponent des „wissenschaftlichen Antisemitismus“, dessen Werke sogar Adolf Hitler beeinflussten und in antisemitischen Kreisen bis in die Gegenwart bekannt geblieben sind.
David Heinrich von Müller (1846-1913) war seit der Gründung des Instituts im Jahr 1886 Professor für Semitistik. Er beschäftigte sich unter anderem mit arabischen Geschichtsschreibern (insbesondere mit aṭ-Ṭabarī), sein hauptsächliches Interesse galt aber bald dem Jemen. Als einer der Leiter der Südarabien-Expedition von 1888/89 war er maßgeblich am Aufbau der österreichischen Südarabien-Studien beteiligt, welche nach dem 1. Weltkrieg vor allem an der Universität Graz fortgesetzt wurden und weltweit Anerkennung genossen. Der Initiative von Dr. Roswitha Stiegner (Graz) ist es zu verdanken, dass die Südarabien-Studien 2008 wiederbelebt wurden und heute einen der Schwerpunkte der Arabistik am Institut darstellen.
Müllers Schüler und Nachfolger Rudolf Geyer (1861-1929) machte sich vor allem durch seine Editionen und Forschungen zur altarabischen Poesie einen Namen. Unter ihm habilitierte sich Viktor Christian (1885-1963), der 1930 ordentlicher Professor für „Altsemitische Philologie und orientalische Archäologie“ wurde. In der Nazizeit wirkte er maßgeblich an der antisemitischen Judenforschung mit und war zu Kriegsende 1945 sogar Rektor der Universität Wien. Viele später international berühmt gewordene Arabisten und Semitisten wurden in den 1930-er Jahren aufgrund der stark antisemitischen Tendenzen in der Professorenschaft vom Institut vertrieben. Unter ihnen waren der bekannte Historiker Gustav von Grunebaum (UCLA, Los Angeles), der weltweit angesehene Experte für Mittelarabisch, Josua Blau (Hebrew University, Jerusalem), sowie auch Wolf Leslau (UCLA, Los Angeles), der vielleicht bekannteste Semitist des 20. Jahrhunderts.
Während der Kriegsjahre war der ebenfalls überzeugte Nationalsozialist Hans Kofler (1896-1947) Professor für Arabistik und Islamwissenschaft. Er beschäftigte sich unter anderem mit Ibn ˁArabī, verfasste aber auch eine Reihe von Artikeln zu den altarabischen Dialekten.
Kurz nach dem 2. Weltkrieg wurde Hans Ludwig Gottschalk (1904-1981) zum Professor für Arabistik und Islamkunde ernannt. Er war hauptsächlich an mittelalterlicher Geschichte interessiert und publizierte einflussreiche Studien zur Ayyubiden- und Mamlukenzeit.
Ihm folgte 1974 Arne A. Ambros (1942-2007), der die Arabistik eindeutig in Richtung Sprachwissenschaft positionierte. Ambros war Autor des über Jahrzehnte meistgedruckten deutschen Lehrbuchs zur Modernen Arabischen Schriftsprache, publizierte mehrere Studien zur arabischen Dialektologie und machte sich in späteren Jahren als einer der führenden Experten der Sprache des Korans einen Namen. Als studierter Physiker brachte Ambros auch statistische Methoden und bereits in den 1980-er Jahren EDV-gestützte Ergebnisse in seine Forschung ein. Als Assistent und später ao. Professor war Herbert Eisenstein von 1975-2011 als Arabist am Institut tätig. Neben Arbeiten zum Klassischen Arabisch galt sein Forschungsinteresse vor allem der arabischen Zoographie.
Quellen:
Österreichisches Biographisches Lexikon (ÖAW)
Diverse Nachrufe in der Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes
Wolfieter Bihl: Orientalistik an der Universität Wien. Wien: Böhlau 2009.
Utz Maas: Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933-1945. Tübingen: Stauffenburg-Narr, 2010.