Dissertations- und Post-doc-projekte

 Der Mikrokosmos Euböa – Çesme und das Netzwerk an kollektiven Akteuren, das die Flucht griechischer Jüd*innen beeinflusste

Dissertantin: Julia Fröhlich hat ihr BA (Orientalistik), MA (Turkologie) und MEd-Studium (Englisch, Geschichte & Politische Bildung) an der Universität Wien absolviert und wurde im Dezember 2021 als Dissertantin der Universität Wien angenommen. Ihre Forschungsinteressen beziehen sich primär auf die Schnittmenge zwischen Turkologie, Neo-Gräzistik und Jewish Studies, und umfassen insbesondere die Shoah und die Haltung der türkischen Diplomatie sowie in der Türkei ansässigen institutionell verfassten oder gebundenen Akteure.

Beschreibung: Das Dissertationsvorhaben beschäftigt sich mit der zwischen 1941 und 1944 zu verzeichnenden Fluchtbewegung griechischer Jüd*innen, in deren Zuge rund 1.500 Jüd*innen von Euböa aus über die Ägäis nach Çeşme flüchteten. Besonderer Fokus liegt auf dem Zeitraum 1943-44, während dessen die Mehrheit der 1.500 Jüd*innen die Flucht über das Meer wagte. Konkretes Ziel ist es, das Netzwerk an kollektiven Akteuren darzustellen, das die Flucht jener Flüchtlinge determinierte, sowie die Rolle von Aktanten und personenbezogenen Charakteristika zu ergründen, die auf die agency eines flüchtenden Individuums einwirkten. Diese Sachverhalte sollen mittels einer Verschränkung aus qualitativen und quantitativen Methoden und Instrumentarien behandelt und teils visuell dargestellt werden: Das umfangreiche, sich aus verschiedenen Textgattungen (v.a. Korrespondenz, Zeitzeug*innenberichte, Zeitungen, Berichte) konstituierende Quellenkorpus wird je nach konkretem Texttypus inhaltsanalytisch, diskursanalytisch, oder mittels einer Soziale Netzwerkanalyse mit binärer Adjazenzmatrix bearbeitet. Durch diese methodische Verflechtung und die Verwendung der Software-Programme MAXQDA und UCINet 6 soll eine möglichst ganzheitliche Darstellung der behandelten Thematik geliefert werden, die neben einer allgemeinen quantitativ-abstrakten Visualisierung der für die Fluchtbewegung prägenden Akteure, Aktanten und Charakteristika auch mikrohistorische Einblicke in die „Fluchtrealitäten“ der betreffenden Individuen bietet.

 Eine Untersuchung zur Entstehung und Analyse eines Geschichtswerks über die Osmanen im frühen 18. Jahrhundert: Dimitrie Cantemirs „Geschichte des Osmanischen Reiches nach seinem Anwachse und Abnehmen“

Dissertant: Alptuğ Güney hat Geschichte und Kultur des Nahen Orients sowie Turkologie an der Ludwig Maximilians-Universität München studiert. Zwischen April 2017 und Juni 2020 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im von der VolkswagenStiftung finanzierten Projekt HerCoRe–Hermeneutic and Computer based Analysis of Reliability, Consistency and Vagueness in historical texts-Illustrated through two main works of Dimitrie Cantemir (Forschungsgruppe „Computerphilologie“, Forschungszentrum „Digital Humanities“, Universität Hamburg). Seit 2019 ist er als Doktorand an der Universität Wien.

Beschreibung: Das Promotionsvorhaben wird im Rahmen des an der Universität Hamburg seit April 2017 laufenden von der Volkswagenstiftung finanzierten Projektes “HerCoRe–Hermeneutic and Computer based Analysis of Reliability, Consistency and Vagueness in historical text -Illustrated through two main works of Dimitrie Cantemir”* durchgeführt und beschäftigt sich mit der historiographischen und hermeneutischen Analyse des Werkes „Geschichte des Osmanischen Reiches” von Dimitrie Cantemir (1673-1723). Ziel des Projektes ist es, einerseits die Entstehung und Bedeutung einer osmanischen Geschichte, die im Zeitalter der frühen Aufklärung verfasst wurde, zu untersuchen. Im Vordergrund steht hierbei die detaillierte Analyse des Werkes, die Identifikation der zugrundeliegenden Quellen sowie das Nachzeichnen der historiographischen Arbeitsweise Cantemirs. Die Studie geht von der Annahme aus, dass Cantemirs Geschichte des Osmanischen Reiches sowohl in der osmanischen als auch europäischen historiographischen Tradition eine bis heute kaum angemessen gewürdigte Sonderstellung zukommt. Das Projekt wird zudem unter Hinzuziehung bisher unberücksichtigter Archivquellen den Werdegang Dimitri Cantemirs als Gelehrten in osmanischen Diensten in den Jahren 1687 bis 1710 nachzeichnen und sein soziales Umfeld genauer beleuchten.

 Engineering Nature: Environment, Technology, and the Making of Modern Turkey, 1923-1950

Projektleiter: Onur İnal ist Postdoc am Institut für Orientalistik der Universität Wien. Neben der Konzentration auf die osmanische Stadt- und Umweltgeschichte widmet er sich den Themenschwerpunkten Umwelt- und Technikgeschichte der türkischen Republik. Er ist Gründer des wissenschaftlichen Netzwerks „Network for the Study of Environmental History of Turkey” (NEHT) und seit 2019 Vorstandsmitglied der „European Society for Environmental History” (ESEH). Er ist Herausgeber vom 2019 erschienenen Sammelband Seeds of Power: Explorations in Ottoman Environmental History (mit Yavuz Köse) und Transforming Socio-Natures in Turkey: Landscapes, State and Environmental Movements (mit Ethemcan Turhan) sowie Autor diverser Artikel und Buchkapitel zu den Themen Umwelt, Technologie, Tourismus und Konsumkultur im osmanischen Reich und der Republik Türkei.

Beschreibung: The project analyzes the connection between modernization, nation-building, environment, and technology in the early republican period of Turkey and to shed light on the contested national meanings invested in nature, and in return, exploring the influence of nature on the formation of Turkish national identity. By examining the interactions among nation, nature, culture, and technology historically, it aims to discuss and illustrate the ways in which the natural landscape of Anatolia was appropriated, controlled, regularized, and tamed through technological and scientific means in the so-called ‘Kemalist Period’ between the years 1923 and 1950. It uses the methodological and interpretative tools of environmental history to show how analyzing the many relationships between state and society, between power and nature, between environmental change and economic change, and between humans and non-humans offers a holistically fresh perspective on the transformation of nature in the founding years of Turkey. In short, the proposed project, while documenting the interplay among state, society, nature, technology, and culture, it aims to construct a synchronous history of nation and nature in Turkey through the prism of environmental history.

 Holding High the Hanseatic Cross in the Levant: Andreas David Mordtmann and the Diplomatic Milieu of Istanbul

Dissertant: Tobias Völker received his MA in Turkology from Hamburg University in 2013. For the last three years, he has worked as a research assistant for the DFG-financed research project on the Orientalist and Diplomat Andreas David Mordtmann (1811–1879). Currently, he holds an interim post as a lecturer for modern Islamic history at the Middle Eastern studies department of Hamburg university.

Beschreibung: My doctoral project examines the writings and career of the German Orientalist and diplomat Andreas David Mordtmann (1811-1879) who went to Istanbul in 1845 as diplomatic representative of the Hanseatic Cities, and in 1860 entered Ottoman state service, thereby becoming directly engaged in the late Ottoman reform process while continuously commenting on Ottoman politics as a journalist and academic. Applying the methodological and interpretative framework of transcultural studies, the project traces Mordtmann´s overlapping and often conflicting roles as diplomat, scholar, journalist and Ottoman civil servant through an analysis of his descriptions of the actors and policies of the Tanzimat in the context of inner-Ottoman as well as European Orientalist debates. Uncovering the mental and material worlds of this intellectual with multiple cultural, professional and political affiliations, the project aims to explore the dynamics and ambiguities of 19th century Orientalist knowledge production in a transcultural environment.

 Osmanische Gedichtsammlungen (mecmūᶜa) des 16. und 17. Jahrhunderts aus der Österreichischen Nationalbibliothek und die darin enthaltenen unbekannten Dichter

Dissertantin: Aynur Gülen

Beschreibung: Das Dissertationsprojekt besteht aus zwei Teilen und konzentriert sich in einem ersten Teil auf die Bearbeitung von vier Gedichtsammlungen in der Österreichischen Nationalbibliothek mit den Signaturen A. F. 343, A. F. 485, Mxt. 450 und Mxt. 451. Ausgehend vom Gesamtinhalt dieser vier Gedichtsammlungen wird es sich in einem zweiten theoretischen Teil mit den poetischen Konventionen der osmanischen Dīvān-Poesie des 16. und teilweise des 17. Jahrhunderts befassen.

Aus allen vier Gedichtsammlungen sollen in der osmanischen Literaturgeschichte nicht bekannte Dichter erforscht und ihre Dichtung untersucht und in Edition vorgelegt werden.  Das Hauptaugenmerk wird dabei auf der Gedichtsammlung A. F. 343 liegen. Denn diese enthält mindestens 71 Gedichte des Kompilators und möglicherweise Handschriftenbesitzer Muḥibbī aus İlbaṣān.

Der Corpus des geplanten Dissertationsprojekts wird sich aus den in diesen vier Gedichtsammlungen vorkommenden bisher nicht edierten Gedichten in der Form des lyrischen Gedichts nicht bekannter osmanischer Dichter des 15., 16. und 17. Jahrhunderts zusammenstellen.

Um ausgehend vom Gesamtinhalt der Gedichtsammlungen Schlussfolgerungen und/oder Hypothesen über poetische Konventionen aufstellen zu können, wird unter Bezugnahme auf Primär- sowie Sekundärquellen auf folgende Fragen eingegangen: Was sind die grundlegenden Besonderheiten der osmanischen Poesiekonventionen des 16. Jahrhunderts? Spiegeln die in den Gedichtsammlungen aufgenommenen Gedichte den Poesiekanon der damaligen Zeit oder nur den Poesiegeschmack bestimmter Kompilatoren wider? Können Hypothesen über die poetischen Ambitionen bzw. Intentionen der nicht bekannten Dichter in den vier Gedichtsammlungen formuliert werden?

 Ottoman Literary Culture in the Early 17th Century

Dissertant: Ercan Akyol is a Ph.D. candidate in Ottoman studies. After receiving his master’s degree at the Bilkent University, where he taught as a lecturer, he partook in various scientific projects for which he worked as researcher and translator (from Ottoman to English and from English to Turkish).He specializes in the cultural history of the Ottoman Empire, with a particular focus on the literary culture in the early 17th century. His research interests include manuscript culture, literary salons, intellectual networks and group biographies.

Beschreibung: The dissertation is a prosopographical study revolving around a group of bureaucrat-poets such as Şeyhülislam Yahya, Kafzade Faizi, Nevizade Atai, Ganizade Nadiri, Azmizade Haleti, Nergisi, Veysi and etc. This research aims to contextualise the relationships between the lives and works of, inter alia, the aforementioned poets using a wide spectrum of primary sources ranging from dīvāns, mesnevīs, letter compilations, miscellanies, memoirs to appointment decrees, state registers, payrolls, and so forth.

 The letter-writing culture in the late 15th and early 16th – centuries Ottoman Empire

Dissertantin: Melike Aysu Akcan is a Ph.D. candidate in Ottoman studies. After receiving her master’s degree at Bilkent University, where she worked as a teaching assistant, she has done a DH internship and has taken part in DH projects. Her research interest is the literary and social practices of the letter-writing culture in the late 15th  and early 16th – centuries Ottoman Empire.

Beschreibung: The project investigates the letter-collection of Lāmiʿī Çelebi (b. 1472-d.1532), who is primarily known as an important litterateur and as a ṣūfī, a member of Naḳşibendiyye order. This study aims to locate Lāmiʿī Çelebi’s letter-collection in a concept that allows to scrutinize his correspondences as a source of writer’s world; by keeping in mind that the letter-writing culture is intertwined with the specific elements of form and content, and shared conventional, collective and artful peculiarities of the Ottoman literary culture. The research aims to show that a textual and literary genre - i.e., letter-writing - should also be evaluated as a textual representation of the personal experiences and the self. The study will also be accompanied by the technologies of Digital Humanities that will allow optimal use of the letter-collection.

 The Politics of Cultural Heritage in Turkey since 1923: Changing Approaches to the Nation’s Material Past

Dissertantin: Ayse Dilsiz Hartmuth studied Near Eastern Archaeology at Ege University, Izmir, and Anatolian Civilizations and Cultural Heritage Management at Koc University, Istanbul. She is currently employed as a pre-doc assistant at the Department of Near Eastern Studies at the University of Vienna, where she pursues her dissertation project on the politics of cultural heritage in Turkey since 1923. Her research interests include critical heritage studies, history of archaeology and cultural politics in modern Turkey.

Beschreibung: Since the mid-1990s, Heritage Studies have become a field of expertise and research of its own. This is mainly because the relationship between identity and tangible and intangible heritage began to be regarded as crucial in the understanding of societies. My dissertation project will demonstrate that, in Turkey as well, narratives of cultural heritage have adapted in accordance with the political agendas and challenges, and often so in a very pragmatic way. Following the changing perspectives towards cultural heritage and uses of the past from the establishment of the Turkish republic to the present day, I aim to explore how values and a sense of identity were renegotiated in each period.

 The Portrait of an Ottoman Intellectual: Sahhaflarşeyhizâde Vakʿanüvîs Esʿad Efendi's reading-writing habits and intellectual curiosities through his personal Mecmûʿas

Dissertantin: Nazlı Vatansever hat ihren BA und MA in Türkischer Sprache und Literatur in Istanbul absolviert. 2012-2018 arbeitete sie als Forschungsassistentin in einem wissenschaftlichen Projekt (Database for Ottoman Inscriptions). Seit 2015 ist sie Doktorandin am Institut für Orientalistik der Universität Wien und seit März 2019 ist sie am Institut für Orientalistik und am Institut für Kunstgeschichte an der Universität Wien tätig. Ihr Forschungsinteresse liegt auf der Bedeutung des Lesens und Schreibens in der osmanischen Gesellschaft, sowie Geschichte des Buchdrucks.

Beschreibung: Das Promotionsprojekt untersucht Sammelschriften eines wichtigen osmanischen Intellektuellen und Chronisten des 19. Jahrhunderts, Sahhaflarşeyhizâde Esʿad Efendi, der auch sehr reiche Sammlungen von Manuskripten in seiner persönlichen Bibliothek hatte. Es sind dies hochgradig individualisierte Zusammenstellungen, ohne Anzeichen, dass Manuskripte von anderer Seite hinzugefügt wurden bzw. dass es sonstige Interventionen in den Bestand gab. Eines der Hauptziele dieser Forschung ist es, die Motive hinter der Konzeption und Abfassung dieser persönlichen - individuellen - Manuskripte zu erforschen. Esʿad Efendi verfolgte bei der Kompilation seiner Sammelschriften unterschiedliche Zwecke und Ansätze: während einige seinen beruflichen Interessen dienen, zeigen andere seine Schreib- und Leseaktivitäten. Mehrere Schlüsselfragen, die in dieser Dissertation gestellt wurden, um die Beziehung zwischen intellektuellen und kompilierenden Aktivitäten Esʿad Efendis darzustellen sind: Nach welchen Kriterien, Prinzipien und Methoden wählte er die Texte für seine persönlichen Sammelschriften aus? Was war für ihn Sinn und Zweck seiner Zusammenstellung und wie hat er diese persönlichen Sammelschriften verwendet? Darüber hinaus will diese Arbeit versuchen, den Zusammenhang zwischen Esʿad Efendis Lesegewohnheiten, seiner persönlichen Bibliothek, seiner Büchersammlung und der Beziehung zwischen seinen Sammelschriften und seinen Originalwerken aufzudecken.